Abstract
Die vergessene „Institutshandschrift“
(einer Brücke zur amtlichen Statistik)
Klaus Allerbeck
Goethe-Universität Frankfurt a.M.
Seit 75 Jahren gilt als wissenschaftliches Auswahlverfahren „scientific sampling“ durchgesetzt: in Forschung und Lehre. In Deutschland hat dank des noch nicht abgeschlossenen Zensus der Begriff des „Fehlers“ es ins Bundesgesetzblatt geschafft. (judex non calculat war einmal: der „Standardfehler“ ist im wesentlichen eine Funktion der bekannten Stichprobengröße und der (leider unbekannten Varianz, die wir bedenkenlos durch die Varianz in der uns bekannten realisierten Stichprobe schätzen). Die Erfahrung lehrte, daß in der Forschungspraxis der „standard error“ verglichen mit der Größe von „non-sampling errors“ beinahe vernachlässigenswert werden kann.
Abraham Wald wird das statistische Verfahren zugeschrieben, über die erforderliche Qualität primär zu entscheiden und daraus - aber sekundär - den Stichprobenumfang abzuleiten. Die Erfahrung sozialwissenschaftlicher Forschungsinstitute lehrt weiterhin, daß ihre Erkenntnisse zuverlässig sein können, auch wenn sie sich in ihrer Arbeitsweise voneinander unterscheiden. Diese wird manchmal als „Institutshandschrift“ bezeichnet, was auch Betriebsgeheimnisse einschließt. Kalligrafie ist nicht die Voraussetzung der Kommunikation; vielmehr kommt es auf die Lesbarkeit der Aussagen an.
Dabei kommt es für Wissenschaftler nicht darauf, ob der Sieger einer Wahl richtig vorhergesagt wird, bevor alle Wahllokale geschlossen sind. Allerdings war es 1948 ein glücklicher Umstand, daß Gallup - der die Quotenauswahl durchgesetzt hatte - einen Sieg von Dewey vorhergesagt hatte, und das SRC des ISR an der University of Michigan, mit einer Wahrscheinlichkeitsstichprobe zutreffend Truman als Sieger vorhersah. Der Wahltag Bundestagswahl 1965, Stand 18 Uhr, hätte das Gegenteil ergeben.
Ob die methodischen Voraussetzungen vergleichender Analysen gegeben sind - ob für Zeitvergleiche oder verschiedener Gesellschaften - wird sich manchmal erst nach der Datenerhebung durch Datenanalyse bestimmen lassen - manchmal aber auch auf der ersten Blick. Beispiele für dieses Entscheidungsproblem sind das Women’s Liberation Movement (in 5 bzw. 8 Ländern) und Friedeburgs (DIVO) und meine (mit Infratest) Jugend-Untersuchungen.